Schrauben geraten in Zollstreit zwischen Brüssel und China

2021-12-27 02:32:07 By : Ms. Jane Wang

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Ein Mitarbeiter im Werk des Schraubenherstellers Würth in Künzelsau Bild: dpa

Brüssel will Zölle auf Schrauben erheben, da China angeblich Dumping betreibt. Großhändler warnen dagegen, dies gefährde die Produktion in der EU. Droht der nächste Lieferengpass?

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S ie sind oft winzig – und doch haben sie das Potential, die gesamte Wirtschaft auszuhebeln. Es geht um Schrauben, Bolzen oder Unterlegscheiben. In der Regel gibt es keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen, dass ohne sie weder Waschmaschinen, Solarpaneele, Mähdrescher oder Autos gefertigt werden können und das Handwerk die Arbeit einstellen muss – von kleinen Reparaturen im Eigenheim ganz abgesehen. Nun aber will die Europäische Kommission Anti-Dumping-Zölle auf Schrauben aus China einführen, die deren Preis beinahe verdoppeln würden. Der Schraubengroßhandel warnt vor dem Ende von Produkten „Made in Germany“.

Die Kosten seien wegen der bestehenden Lieferengpässe ohnehin explodiert. Die Lieferzeiten hätten sich 2021 verdreifacht und lägen inzwischen bei bis zu 14 Monaten. „Die Folgen werden in Schulen, in der Lebensmittelbranche und im Gesundheitswesen zu spüren sein, wo Schulbänke, Kühlgeräte oder medizinische Geräte von Verbindungselementen zusammengehalten werden“, betont der Fachverband des Schrauben-Großhandels (FDS). Ohne passende Schrauben könne keines dieser Endprodukte auf den Markt kommen. Die Schraubenhersteller indes sind zufrieden. Endlich würden faire Bedingungen hergestellt, teilt der Deutsche Schraubenverband (DSV) mit.

Der Fall ist beispielhaft. Er zeigt, wie heikel es manchmal ist, unter Berufung auf faire Wettbewerbsbedingungen in den Handel einzugreifen, und wie Unternehmen den Anti-Dumping-Vorwurf als Hebel einsetzen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Das gilt erst recht, wenn die Gemengelage uneindeutig ist, wie oft, wenn es um China geht.

Eingeleitet hat die Europäische Kommission das Anti-Dumping-Verfahren auf Schrauben nach einer Beschwerde des EU-Dachverbands des DSV, des „European Industrial Fasteners Institute“. Der klagt seit Jahren darüber, dass China Schrauben zu Preisen in die EU einführt, die faktisch unter den Herstellungskosten liegen. 2009 hat die Kommission deshalb schon einmal Anti-Dumping-Zölle von zunächst 85 Prozent verhängt, musste die aber 2016 nach einer Klage Chinas auf Anordnung der Welthandelsorganisation (WTO) aufheben. Die Europäer hatten zur Begründung der Zölle nicht repräsentative Vergleichszahlen herangezogen.

Genau das ist das Problem in allen Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Produkte. Weil die EU sich auf die Angaben des nicht marktwirtschaftlich organisierten Chinas nicht verlassen will, zieht sie die Produktionskosten in Vergleichsländern heran, um Dumping festzustellen. Das verschafft der Kommission einigen Spielraum, was zuletzt auch bei der Verhängung von Anti-Dumping-Zölle auf chinesischen Stahl auf Kritik gestoßen ist. In dem Schrauben-Fall zieht die Kommission Thailand als Vergleichsland heran. Weil die Schrauben aus China verglichen damit zu billig in die EU eingeführt werden, soll von Februar an ein Anti-Dumping-Zoll von 86,5 Prozent gelten. Nur ein Teil soll von einem ermäßigten Satz von 39,6 Prozent profitieren. Bisher ist das nur ein Vorschlag. Das letzte Wort haben die EU-Staaten. Sie können die Entscheidung stoppen, wenn sich eine große Mehrheit dagegenstellt.

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„Für uns ist das die letzte Hoffnung“, sagt Alexander Kolodzik vom FDS. Die Kommission habe die Zölle wie schon 2009 auf Basis absurder Annahmen festgelegt. Hinzu komme, dass weder die anderen asiatischen Hersteller von Taiwan bis Vietnam noch die Europäer die Kapazitäten hätten, um die entstehende Lücke zu schließen. Die EU-Kommission äußert sich offiziell nicht dazu, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Der DSV weist die Vorwürfe zurück. Es gehe nicht darum, die EU abzuschotten. China könne ja weiter Schrauben in die EU einführen. Das dürfe nur nicht zu Preisen geschehen, die „überspitzt gesagt dem Materialpreis“ entsprächen, betont DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck.

Die Gefahr von Lieferengpässen hält er für maßlos übertrieben. Zum einen sei der Markt auch 2009 nicht zusammengebrochen, als die EU das letzte Mal Anti-Dumping-Zölle auf Schrauben eingeführt habe. Zum anderen seien die Schraubenhersteller in der EU bereit, in den Ausbau der Produktion zu investieren, wenn die Preissignale stimmten. Die Einfuhr aus China habe in den betroffenen Produktgruppen zuletzt 209 000 Tonnen im Jahr betragen. Dem stünden Produktionskapazitäten von 2 Millionen Tonnen in der EU gegenüber, die zuletzt gerade einmal zur Hälfte ausgelastet gewesen seien.

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