Eintracht Frankfurt: Mehr Mitglieder und volle Stadien nach Corona

2022-08-26 21:12:05 By : Ms. Leslie W

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Glaube, Liebe, Weinen: Das vergangene Fußballjahr war für viele Eintracht-Fans emotional wie nie. In diesem Jahr wünschen sich die Anhänger eine Fortsetzung – diesmal auch in der Champions League. Bild: Lucas Bäuml

Die Bundesliga beginnt. Während Kirchen und Parteien die Menschen kaum noch erreichen, hat der Profifußball die Corona-Krise schadlos überstanden. Vor allem auch, weil sich Männer nirgendwo anders als im Stadion Tränen gestatten.

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E ndlich können Männer wieder weinen. Die Bundesliga kehrt zurück aus der Sommerpause, am vergangenen Wochenende gab es eine Einstimmung mit der ersten Runde im DFB-Pokal. Der Fußball – in diesen Tagen sollte das betont werden: allein jener der Männer – liefert den Ort, an dem sich auch das männliche Geschlecht Tränen erlaubt: im Stadion. Wenn die Frankfurter Eintracht, Europapokalsieger und Mannschaft des Jahres im deutschen Fußball, nach dem Pokalauftakt in Magdeburg im Duell mit Titelverteidiger Bayern München am 5. August im heimischen Waldstadion die Bundesligasaison eröffnet, werden bei den Fans wieder die Augen feucht, wenn der Klassiker „Schwarz-weiß wie Schnee, das ist die SGE“ mit der Erwähnung der in diesem Jahr verstorbenen Vereinsikone Jürgen Grabowski intoniert oder auch der Europa-League-Sieg besungen wird.

Die Bundesliga ist der Ort geblieben, an dem, während sich sonst meist nur Frauen und Mädchen so wichtige Emotionen gestatten, selbst sonst unterkühlte Männer ihren Gefühlen freien Lauf lassen und aus voller Kehle singen, während landauf und landab die Tonleitern in Vergessenheit geraten. Selbst alle vernünftig klingenden Prophezeiungen von einer Entfremdung der Fans vom Fußball durch die Corona-Zeit haben sich zerschlagen, fast ausnahmslos strömen die Zuschauer vorpandemisch in die Stadien, der Dauerkartenverkauf läuft von Dortmund bis Freiburg und von Mainz bis München wie eh und je oder gar besser als zuvor. Besonders im Frankfurter Waldstadion ist sowieso nichts mehr zu spüren von Distanz zum Geschehen auf dem Rasen. Das liegt vor allem am sensationellen Europa-League-Sieg im Mai. Mehr als 200.000 Anhängerinnen und Anhänger feierten die Eintracht und hatten natürlich Tränen in den Augen, als sie den Pokal auf dem Römerbalkon sahen.

Das alles konterkariert die Prognosen aus der Corona-Zeit. Lange dominierte die Überzeugung, dass es das gewesen sein könnte mit der Nibelungentreue der Anhänger zum Profifußball. Teils merkwürdiges Gebaren vor allem während des ersten Lockdowns im Jahr 2020 mit dem unverhohlenen Verlangen nach Sonderkonditionen schienen die Geduld der Anhänger endgültig im Übermaß zu strapazieren. Die Bundesliga spielte für die Erfüllung der TV-Verträge und zur Sicherung ihrer Existenz vor leeren Rängen bereits zu einem Zeitpunkt, an dem Kindern das Bolzen noch untersagt war. Das stieß auf Unverständnis bei den treuesten der treuen Fans, die Liga und ihre Klubs polarisierten. Manche Verstöße gegen die Corona-Regeln von Spielern oder Klubverantwortlichen oder mancher Wortbeitrag schienen das Bild zu bestätigen, dass sich der Fußball endgültig von seiner Basis entfernt hatte.

Die Fans merkten während der Zeit der „Geisterspiele“ zudem, dass man an Wochenenden tatsächlich auch andere schöne Dinge machen kann, als in ein Fußballstadion zu gehen oder sogar einem Team von jungen Sportlern und Millionären hinterherzureisen. Als dann Zuschauer zunächst teilweise wieder zugelassen wurden, blieben eine Zeit lang zwar die Ultras gemäß dem Motto „Alle oder keiner“ fern, aber die Ränge füllten sich schneller als von den Finanzvorständen der Bundesligaklubs erhofft.

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Und nun beginnt am nächsten Wochenende die erste Spielzeit seit 2019, in der Corona zumindest zu Saisonbeginn keine große Rolle spielen wird.

Der Auftakt verspricht gerade in Frankfurt eine besondere Festwoche: mit dem Heimspiel gegen die Bayern und dem folgenden europäischen Supercup-Duell mit Real Madrid, der Neuauflage des legendären Europapokalendspiels von 1960, das Real mit 7:3 für sich entschied. Jenes Spiel des Europa-League-Siegers gegen den Champions-League-Gewinner ist der Vorgeschmack auf bevorstehende Galaabende in der Champions League. Die Eintracht kann in diesen Tagen weiter um neue Anhänger werben.

Während die Kirchen ihre Mitglieder in Scharen verlieren und der Mainzer Bischof Kohlgraf offen über das Ende der Volkskirchen sinniert oder Parteien sich nahezu erfolglos um Mitglieder und Unterstützer bemühen, wenden sich die Menschen der letzten „Glaubensgemeinschaft“ in Hessen zu. In der vergangenen Woche hat die hessische CDU bestätigt, dass es mit dem Ausbau der Reichweite in den sozialen Medien denkbar langsam vorangehe – und das trotz des Trainerwechsels von Bouffier zu Rhein. Die Partei freut sich beispielsweise über den recht bescheidenen Zugewinn von 4000 Abonnenten auf Facebook binnen drei Jahren. Auch die Bemühungen der anderen Parteien, Menschen für sich einzunehmen, sind recht trostlos.

Die Eintracht marschiert derweil in Zehntausenderschritten voran, etwa 100.000 Mitglieder waren es kurz vor dem Europapokalsieg, mittlerweile sind es schon deutlich mehr als 110.000, die sich mit den Erfolgen des Teams so sehr identifizieren, dass sie dies mit einem Ausweis untermauern wollen. Bei einigen mag es auch schlicht die etwas größere Chance auf die Zuteilung eines der begehrten Tickets für die Champions-League-Heimspiele sein, die zur Unterschrift auf dem Mitgliedsantrag motiviert hat. Bei den allermeisten aber ist es eben auch ein Bekenntnis zu einem Klub, der immer wieder Position auch bei gesellschaftlichen Entwicklungen bezieht und gewisse Werte vertritt und im „Herzen von Europa“ wohltuende Weltoffenheit vorlebt.

Und es ist eben vor allem das Stadion. Hier traut sich Mann, Tränen zu vergießen. In all den Krisen, die die menschliche Seele und die Welt von der Ukraine bis hin zum Klima erschüttern und alles instabil erscheinen lassen, ist die Arena einer der letzten Orte, wo fast alles gleich bleibt. Die Farben und die Lieder, das Wappen mit dem Adler und eben der Charme der launischen Diva vom Main – all das vermittelt Geborgenheit. Nur das Ergebnis ist ungewiss. Selbst gegen die Bayern zumindest ein bisschen. Glücklicherweise.

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