Geringere Neuverschuldung: Schäuble holt sich Geld aus den Sozialkassen - WELT

2022-09-09 21:17:45 By : Ms. Lisa Tan

W olfgang Schäuble (CDU) kommt beim Schuldenabbau schneller voran. Dank Einsparungen bei den Sozialversicherungen kann der Finanzminister das Defizit im kommenden Jahr stärker reduzieren als bisher vorgesehen . Das geht aus den Eckwerten für den Haushalt 2013 hervor, die das Kabinett am Mittwoch verabschieden wird.

Nach Angaben aus Regierungskreisen ist darin eine Neuverschuldung von 19,6 Mrd. Euro vorgesehen – das sind rund fünf Mrd. Euro weniger als noch im vergangenen Jahr prognostiziert.

Diese Summe erreicht Schäuble vor allem durch geringere Zuschüsse zu den Sozialkassen. Um die Konsolidierung durchzusetzen, kürzt die Bundesregierung die Etats von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) .

Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung wird um eine Mrd. Euro abgesenkt. Das bestätigte von der Leyen. Der Beitragssatz von 19,6 Prozent werde 2013 wie geplant auf 19,2 Prozent gesenkt und „dort stabil bleiben“. Daraus ergibt sich ein Verzicht auf eine weitere Beitragssenkung, was von der Leyen aber nicht offen aussprach.

Im Rentenversicherungsbericht hatte die Regierung im Herbst noch einen Beitrag von 19,0 Prozent ab 2014 in Aussicht gestellt. Kürzungen in ihrem Etat muss von der Leyen auch bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) hinnehmen. Dort werden nach Berechnungen der Behörde bis 2016 rund 4,5 Mrd. Euro eingespart.

Relativ glimpflich ist hingegen der Gesundheitsminister davongekommen. Prinzipiell lässt Schäuble den Steuerzuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen unangetastet.

Auch künftig fließen jedes Jahr 14 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt an den Gesundheitsfonds, von dem aus sie an die Kassen verteilt werden. Die sollen damit sogenannte versicherungsfremde Leistungen bezahlen, der größte Posten ist die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen.

Was Schäuble bei den Haushaltsverhandlungen durchsetzen konnte, war die einmalige Rückzahlung von zwei Mrd. Euro aus dem Fonds. Dieses Geld war für den Fall gedacht gewesen, dass die Krankenkassen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen würden und hohe Zusatzbeiträge nehmen müssten. Geringverdiener hätten dann einen Sozialausgleich bekommen. Dieser wird jedoch nicht nötig sein.

Die zwei Mrd. Euro fließen nun 2013 zurück an Schäuble.

Wie stark Versicherte überhaupt entlastet werden können, ist offen: „Ich mache mich weiter für eine Abschaffung der Praxisgebühr stark und dafür, dass die Krankenkassen Prämien an ihre Versicherten ausschütten“, sagte Bahr.

Schäuble hat Bahr immerhin eine steuerliche Förderung für private Pflege-Zusatzversicherungen versprochen. Damit sollen die Bundesbürger die gesetzliche Pflegeversicherung ergänzen. Allerdings sind sich Bahr und Schäuble immer noch nicht über die Modalitäten einig. Im Haushalt sind zunächst nur 100 Mio. Euro für die Förderung eingestellt.

Bahr hatte bereits deutlich gemacht, dass er sich mindestens 200 Mio. wünscht. Die private Versicherungswirtschaft geht sogar davon aus, dass jede staatliche Förderung von weniger als 500 Mio. Euro weitgehend wirkungslos verpuffen wird. Gelingt es Bahr nicht, bei Schäuble eine höhere Förderung durchzusetzen, könnte er noch bei den Bundesländern anklopfen und um weitere Millionen bitten. Dadurch würde das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig. Die schwarz-gelbe Koalition hat in der Länderkammer allerdings keine Mehrheit.

Mit den Kürzungen bei den Sozialkassen konnte Schäuble die zusätzlichen Ausgaben, die auf ihn zukommen, mehr als ausgleichen. Der Finanzminister wird 2013 eine Rate für den Euro-Rettungsfonds ESM überweisen, sie beträgt 4,3 Mrd. Euro. Zudem hat der Finanzminister 400 Mio. Euro für das von Familienministerin Kristina Schröder geplante Betreuungsgeld verbucht. In den kommenden Jahren sollen die Ausgaben dafür sogar auf 1,2 Mrd. Euro ansteigen. Sie sollen aber an anderer Stelle eingespart werden. Noch ist offen, wo genau.

Dank der Einsparungen und den weiter steigenden Steuereinnahmen wird Schäuble die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse bereits 2014 einhalten und nicht – wie bisher vorgesehen – erst zwei Jahre später. Für 2014 rechnet er mit einer Neuverschuldung in Höhe von 10,3 Mrd. Euro. Das entspricht einer Quote von 0,26 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Die Schuldenbremse schreibt vor, dass das strukturelle Defizit ab 2016 maximal 0,35 Prozent betragen darf.

Nicht ganz so erfreulich sind die Zahlen, die Schäuble seinen Kabinettskollegen für das laufende Jahr präsentieren wird. Da er im Sommer 8,7 Mrd. Euro in den Rettungfonds ESM überweisen muss, wird ein Nachtragshaushalt notwendig. Statt mit den bisher geplanten 26,1 Mrd. Euro rechnet der Finanzminister in diesem Jahr nun mit einem Defizit in Höhe von 34,8 Mrd. Euro.

Unterdessen kann sich Schäuble Hoffnungen auf einen der wichtigsten Posten in Europa machen. Er ist als Nachfolger des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker für das Amt des Eurogruppen-Chefs im Gespräch . „Es ist möglich“, bestätigten hochrangige EU-Kreise "Welt Online".

Die Bundesregierung sprach von Spekulationen. „Es gibt in dieser Frage noch keine Festlegung“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Schäuble selbst sagte, er habe momentan anderes zu tun, als sich mit solchen Personalspekulationen zu beschäftigen. Wenn Juncker dabei bleibe, nicht mehr weitermachen zu wollen, müsse über seine Nachfolge bald entschieden werden. „Aber das ist nicht eilig.“

Bis Ende Juni soll die Nachfolge von Juncker entschieden werden. Der Amtsinhaber muss laut Vertrag von Lissabon weder Finanzminister noch Mitglied einer Regierung sein. Schäuble könnte das Amt also auch nach einem Regierungswechsel 2013 weiter ausfüllen. Er gilt in Brüssel „als starker Kandidat“.

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