Ukraine-Krieg: Ex-US-General skizziert Nato-Antwort im Falle eines Nuklear-Angriffs durch Putin

2022-10-07 21:58:49 By : Mr. Barton Zhang

David Petraeus hatte den Oberbefehl über die US-Truppen im Irak und in Afghanistan. Im Ukraine-Krieg sieht er Wladimir Putin mit dem Rücken zur Wand und vertraut auf das Nato-Bündnis.

München - In den USA wird der Ukraine-Krieg mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Was wohl nicht nur daran liegt, dass mit Russland der alte Feind aus Zeiten des Kalten Kriegs der Aggressor ist. Die Vereinigten Staaten sind in diesen Zeiten der wichtigste Partner der Ukraine und wohl der Hauptgrund, warum sich das Land den Invasoren überhaupt noch so tapfer erwehren kann. Und der Plan von Wladimir Putin, die sogenannte Spezialoperation mit der Einnahme von Kiew und der Festnahme der Regierung um Präsident Wolodymyr Selenskyj binnen weniger Tage zu beenden, nun für den Kreml in einem Fiasko zu enden scheint.

David Petraeus jedenfalls ist sicher, dass der russische Präsident in diesem Krieg nichts mehr zu gewinnen hat. Der frühere Vier-Sterne-General und einstige CIA-Direktor bemüht sich im Interview bei ABC News redlich, den Namen Putin nicht in den Mund zu nehmen, und stellt klar: „Er verliert.“ Die Annexionen der vier Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja seien eine Verzweiflungstat.

„Sie haben binnen sieben Monaten ein Vielfaches der Verluste erlitten, die sie in einem Jahrzehnt in Afghanistan zu verkraften hatten“, schaut Petraeus auf die Rückschläge der Invasoren und vergleicht diese mit dem Afghanistan-Krieg der Sowjetunion zwischen 1979 und 1989: „Die Frage wird sein, wann größere Einheiten zusammenbrechen. Das wird passieren.“

In den Augen des einstigen Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte im Irak und in Afghanistan hat sich das Blatt längst gewendet: „Die Mobilisierung durch Präsident Selenskyj und die Ukraine klappt deutlich besser als die in Russland. Die Ukraine hat die Kräfte auf eine unvergleichbar bessere Art rekrutiert, ausgebildet, ausgerüstet, organisiert und eingesetzt als Russland.“

Kiew rief bekanntlich schon im Februar zu den Waffen - als Reaktion auf die Invasion. Für die ukrainischen Männer stand also von Anfang an das Ziel fest: das eigene Land gegen den Feind zu verteidigen. Für die jetzt per Teilmobilmachung einberufenen Russen dagegen wird der Krieg, der so weit weg schien, urplötzlich zur realen Bedrohung des eigenen Lebens.

Laut Petraeus spreche alles für die Ukraine, denn diese habe eine „größere und weitaus effektivere Armee vor Ort“. Dabei verweist er auch auf die Unterstützung der USA, die sich mittlerweile auf 17 Milliarden US-Dollar (knapp 17,3 Milliarden Euro) belaufe. Für Putin bedeute die jüngste Entwicklung: „Er ist mit einer Situation konfrontiert, die nicht mehr umkehrbar ist.“

Somit habe nun der ukrainische Staatschef die Zügel in der Hand: „Für Präsident Selenskyj stellt sich die Frage, ob sie diesen kleinen Teil des Donbass und die Krim, die seit 2014 von Separatisten kontrolliert werden, zurückerobern. Und wann sie mit Russland verhandeln.“ Zuletzt hatte Kiew jedoch Gespräche über ein Ende der Kämpfe abgelehnt - wohl, um die eigene Position weiter zu stärken.

Doch Petraeus geht davon aus, dass sich beide Seiten an einen Tisch setzen werden: „An einem Punkt wird es zu Verhandlungen kommen müssen, wie Präsident Selenskyj es gesagt hat.“ Genauso erwartet er aber auch einen weiteren Nackenschlag für Putin: „An einem Punkt wird es dazu kommen, dass die Ukraine Nato-Mitglied wird, was ich begrüße.“

Womit wir bei den anderen Partnern wären, die der Ukraine zur Seite stehen. Auch die könnten die Daumenschrauben weiter anziehen: „Es gibt noch viele Sanktionen, die der Westen gegen Russland verhängen kann. Es kann noch viel schlimmer werden für Putin und für Russland.“

Im Grunde hat sich der Kreml-Chef dem 69-Jährigen zufolge in eine Sackgasse manövriert: „Keine noch so große Annexion, keine noch so versteckte nukleare Drohung kann ihn aus dieser Situation herausbringen.“ Letztere sei in jedem Fall ernst zu nehmen, Petraeus droht aber direkt zurück: Als Reaktion würde die Nato seiner Meinung nach „gemeinsame Anstrengungen“ unternehmen, um „alle russischen konventionellen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und auch auf der Krim und im Schwarzen Meer auszuschalten“.

Hieße also: Kriegseintritt der Nato-Staaten. Also genau das Szenario, das die Bundesregierung seit Kriegsausbruch rigoros ausschließt und in Deutschland wohl auch nicht zu vermitteln wäre. Petraeus hat aber eben den US-Blick und betont hinsichtlich eines möglichen Nuklearschlags durch Russland: „Das könnte nicht unbeantwortet bleiben. Aber es ist dann nicht nuklear gegen nuklear. Man will hier nicht in eine nukleare Eskalation hineingeraten. Aber man muss zeigen, dass das auf keinen Fall akzeptiert werden kann.“ Dazu muss gesagt werden, dass Petraeus seit seinem Rücktritt Ende 2012 kein offizielles Amt mehr innehat und somit auch nicht für die US-Regierung spricht.

Das eigentliche Ziel Putins sieht er darin, „Europa zu übertrumpfen“. Wie es Russland bereits im Falle von Napoleon oder der Nazis gelungen sei. Doch Petraeus setzt auch in diesem Konflikt auf den Zusammenhalt der Verbündeten: „Europa wird einen harten Winter erleben. Dort fließt deutlich weniger Gas, aber sie werden das überstehen und ich denke nicht, dass sie bei der Unterstützung für die Ukraine auseinanderbrechen werden.“

Europa zu entzweien, könnte Putins letzte Hoffnung sein. Und für den Kreml womöglich sein politisches Vermächtnis. Eine erneute Kriegswende ist laut Petraeus aber ausgeschlossen. Er sagt über Russlands Status quo: „Sie sind in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Berichten zufolge haben mehr Männer Russland verlassen als nun eingezogen wurden.“

Seine Antwort auf die Frage, ob Russland und damit letztlich Putin diesen Konflikt noch gewinnen kann, fällt dementsprechend kurz aus: „Können sie nicht. Es gibt nichts, was er in diesem Moment tun kann.“ (mg)