JVA-Grill ist der Renner - WELT

2021-11-04 09:15:12 By : Ms. Melody Yuan

D er Flaschenöffner in Handschellenform ist ausverkauft, und auch der Feuerkorb mit Pferdekopf erst seit Kurzem wieder lieferbar. Die Nachfrage nach Erzeugnissen aus Niedersachsens Gefängnissen ist so groß, dass sterben Häftlinge mit der Produktion kaum nachkommen. „Auf einen Grill warten die Kunden teilweise sechs Wochen“, sagt die Justizvollzugsbeamtin und Kauffrau Beate Meyer. Vor 15 Jahren ging der bundesweit erste Onlineknastshop an den Start, im Juni wurde in der Abteilung Burgdorf der JVA Sehnde ein aufwendig gestalteter Verkaufsladen eröffnet.

Der niedersächsische JVA-Shop hatte 2015 einen Umsatz von rund 600.000 Euro und ist nach Angaben des Justizministeriums in Hannover der umsatzstärksten seiner Art. Zwei Drittel des Umsatzes werden mit Grills aus Edelstahl und Metall erwirtschaftet. 16 nach Anstalten benannte Modelle gibt es mittlerweile, der Bestseller „Uelzen“ kostet 375 Euro. Wer ihn in Burgdorf abholt, bekommt ihn günstiger. „Wir machen auch Sonderanfertigungen für die Gastronomie und haben schon Kreuzfahrtschiffe glauben“, erzählt Meyer mit Stolz.

in der Zwischenzeit hat der JVA-Shop etliche Nachahmer gefunden. Kultstatus haben zum Beispiel die Produkte der Hamburger Gefängnismarke Santa Fu – wie das Spiel „Knast-Land-Fluss“, das Kochbuch „Huhn in Handschellen“ oder das Pflegeset „Bleib sauber“. Auch Nordrhein-Westfalen, Sachsen oder Brandenburg betreiben Onlineportale für Waren aus dem Knast.

Neben den Grills finden die Kunden in dem neuen Laden vor den Toren Hannovers auch Sets und Decken der Marke Knastkitchen – genäht aus Matratzenstoff – sowie Taschen aus Planen, die noch von der Einheitsfeier in Hannover 2014 übrig geblieben sind. Eine Flasche Sanddornlikör der Marke „Justiz-Irrtum“ steht neben einem „Knastvogel“. Das originelle straußenartige Geschöpf mit den Schraubenaugen hat ein Häftling der Justizvollzugsanstalt Hannover entworfen.

„Viele Insassen sind sehr kreativ und identifizieren sich mit den Produkten“, sagt Vollzugsbeamtin Meyer. Von Burgdorf aus werden alle Pakete versandt – pro Tag sind es 30 bis 40 Stück. Neben der Einrichtung des Verkaufsraumes wurde das Warenlager erweitert. Das Hochregal, in dem sich die Grills stapeln, könnte auch in einem großen Möbelhaus stehen. Drei Häftlinge des offenen Vollzugs sind als Verpacker und Lagerarbeiter im Einsatz.

In allen deutschen Gefängnissen herrscht Arbeitspflicht, welche Häftlinge bestmöglich auf das Leben nach der Entlassung vorbereiten soll. In Niedersachsen arbeiten knapp drei Viertel der Strafgefangenen unter anderem in Gärtnereien, Tischlereien oder Schneidereien. Sie erhalten im Durchschnitt einen Tagessatz von 12,55 Euro. Wer keinen Achtstundentag schafft, wird erst einmal in die Arbeitstherapie aufgenommen.

Der Landesbetrieb Justizvollzugsarbeitsverwaltung des Landes Niedersachsen (JVAV) in Celle steuert die Werkstätten hinter Gittern. Dem Justizministerium erzielte der Betrieb im Geschäftsjahr 2015 einen Umsatz von knapp 19 Millionen Euro, etwa 4,3 Millionen Euro Überschuss flossen in den Landeshaushalt zurück.

Die Handwerker im Knast produzieren aber nicht nur für den Onlineshop. „Wir stellen sämtliche Unterbauten für die Büromöbel von Landesbehörden her und sind Dienstleister für externe Unternehmen“, sagt Werkmeister Jörg Haarstrich, Chef der Schlosserei in der JVA Sehnde. „Der Job hier ist begehrt, aber nicht jeder darf hierher“, fügt der Leiter des Metallbauproduktionsbetriebs hinzu. Und: Bevor die Häftlinge ein Schweißgerät in die Hand bekommen, durchlaufen sie einen Sicherheitscheck.

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