Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in Magdeburg: Ein bisschen Ruhe | MDR.DE

2022-10-14 22:51:06 By : Mr. Tony wang

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von Elisa Sowieja-Stoffregen, MDR SACHSEN-ANHALT

Seit vergangenem Wochenende können Geflüchtete aus der Ukraine nach ihrer Ankunft in Magdeburg erst einmal in der Hermann-Gieseler-Halle unterkommen. Wie funktioniert dort die Versorgung von Hunderten Menschen? Und wie geht es den Geflüchteten? MDR Sachsen-Anhalt hat die Unterkunft besucht.

Sergej und Vladislav sind in ihre Fahrzeuge vertieft. In aller Seelenruhe versuchen sie, den Haken am Feuerwehrauto so am Kran zu verkeilen, dass die Feuerwehr den Kran abschleppen kann. Der Vierjährige und sein acht Jahre alter Bruder hocken in einer improvisierten Spielecke aus zusammengeschobenen blauen Sportmatten. Einen Kran, ein Feuerwehrauto und ein bisschen Ruhe: Mehr, so scheint es, brauchen die beiden gerade gar nicht.

Seit vergangenem Wochenende kommen in der Hermann-Gieseler-Halle in Magdeburg Menschen unter, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Die allermeisten sind Frauen und Kinder. Sie verbringen hier die ersten Tage nach ihrer Ankunft, wenn sie in der Stadt keine Verwandten oder Freunde haben. In dieser Zeit können sie sich von der Reise erholen und Behördengänge erledigen. Rund 300 Feldbetten gibt es hier. Viele sind aktuell nicht belegt, denn die ersten Geflohenen konnten schon in Wohnungen vermittelt werden. Manche ziehen auch weiter, weil sie zum Beispiel Verwandte in der Nähe haben. Um den Platz in der Halle auszunutzen, wurden viele Betten als Doppelstockbetten aufgebaut. Wenn man die Halle betritt, fällt das erst auf den zweiten Blick auf – denn die obere Etage ist nur etwa einen Meter hoch. Auf jedem der olivgrünen Betten liegen eine Wolldecke, ein Kissen und ein Laken.

In zwei Nebenräumen wird gegessen. Freiwillige Feuerwehren wechseln sich mit der Ausgabe ab. Damit es beim Frühstück und Abendbrot schnell geht, bereiten sie Essenspakete mit Stullen, Äpfeln und Joghurt vor. Babynahrung gibt's auch.

Die Stimmung zwischen den Feldbetten wirkt trotz der Ausnahmesituation relativ entspannt. Viele sind mit ihrem Handy beschäftigt, einige stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. Genau das sei das Ziel, sagt Dennis Brandt, der Einsatzleiter vom Sozialamt. "Wir wollen die Menschen so behandeln, dass sie zur Ruhe kommen können", erklärt er. "Deshalb wuseln hier auch so wenige Menschen wie möglich rum."

Alle Hilfsorganisationen in Magdeburg engagieren sich derzeit in der Gieseler-Halle. Die ehrenamtlichen Helfer arbeiten in drei Schichten. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben: Für Fragen da sein. Zum Beispiel nach dem nächsten Supermarkt, zu den Corona-Tests bei der Ankunft oder, für die Menschen hier besonders wichtig, nach Strom und W-Lan. Denn die Geflüchteten wollen sich meist so schnell wie möglich bei ihren Verwandten melden.

Das sind die gleichen Abläufe wie bei der Evakuierung eines Stadtteils. Nur ist das das hier einen Ticken größer.

Die gesamte Organisation wirkt routiniert – fast so, als würden in dieser Turnhalle häufiger Flüchtlinge stranden. Dennis Brandt sagt, das liege daran, dass der Katastrophenschutz durch andere Einsätze eingespielt sei. "Das sind diegleichen Abläufe wie zum Beispiel bei der Evakuierung eines Stadtteils. Nur ist das hier einen Ticken größer."

Und es ist teils auch dramatischer. Der Einsatzleiter berichtet: "Am Samstag hatten wir durchaus psychologische Ausnahmesituationen. Wenn die nächsten Menschen ankommen, müssen wir auch wieder damit rechnen." Für solche Fälle gibt's dann Helfer mit psychologischer Ausbildung und gesonderte Räume zum Zurückziehen.

"Ruski?" So werden die Helfer von den Ukrainern meist angesprochen. Nur wenige der Geflüchteten sprechen deutsch oder englisch. Und die Ehrenamtler beherrschen meist kein russisch, geschweige denn ukrainisch. Deshalb schwirrt hier in der Regel mindestens ein Dolmetscher herum. Am vergangenen Wochenende waren sogar bis zu 15 im Einsatz. Damit jeder sie erkennt, tragen sie orangefarbene Warnwesten.

Heute Vormittag hat Olena Stamann die Dolmetscher-Schicht. Sie stammt selbst aus der Ukraine, 2009 kam sie als Studentin nach Magdeburg. Für sie ist ihr Einsatz hier selbstverständlich. "Es geht um mein Heimatland", sagt die junge Frau. Und seit einer Woche gebe es für sie ohnehin kein anderes Thema. "Seit Mittwoch telefoniere ich jede Stunde mit meinen Verwandten und Freunden in der Ukraine."

In der Hermann-Gieseler-Halle werden derzeit vor allem Hygieneprodukte gebraucht, zum Beispiel Zahnbürsten, Duschbad, Tampons oder Windeln. Keinen Bedarf gibt es an Kleidung. Der Einsatzleiter des Sozialamtes bittet darum, Spenden auf keinen Fall direkt zur Gieseler-Halle zu bringen. Das bindet Einsatzkräfte (etwa zum Sortieren), die für andere Aufgaben gebraucht werden. Sachspenden können in Magdeburg unter anderem hier abgegeben werden: Eine-Welt-Haus (Schellingstraße 3/4), Mekka Events (Sudenburger Wuhne 29/30), Interm GmbH (August-Bebel-Damm 44). Medikamente und medizinische Versorgungsmittel nimmt die Arztpraxis Nadija Pyloypchuk in der Agnetenstraße 24 entgegen (Schmerzmittel, Verbandmaterial, Bandagen sowie Desinfektionsmittel). Wer eine Familie privat aufnehmen möchte, möge dem Einsatzleiter zufolge auch nicht zur Unterkunft kommen, sondern sich beim Familieninformationsbüro melden. Weitere Infos zu Unterstützungsmöglichkeiten hat die Stadt Magdeburg hier zusammengetragen. Auf der Seite findet man auch eine Prioritätenliste zu benötigten Sachspenden.

Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen in Sachsen-Anhalt. An Schulen haben bereits fünfzehn ukrainische Lehrerinnen begonnen, Flüchtlingskinder zu unterrichten.

Jetzt geht es uns sehr gut. Wir haben warmes Essen und eine Decke.

Olena hilft auch gern dabei, mit der Mutter von Sergej und Vladislaw zu sprechen. Natalia, 32 Jahre alt, ist nicht nur mit ihren beiden Söhnen hier. Auch ihre Schwester und die Mutter sind mit aus Kiew geflohen. Wie es ihr gerade geht? "Jetzt sehr gut", sagt sie mit gefasster Stimme. "Wir haben warmes Essen und eine Decke. Und wir fühlen uns sicher." Als sie ankamen, erzählt sie, seien die die Kinder verängstigt gewesen, haben nichts essen wollen.

Natalia muss jetzt erstmal in die Spielecke zu Sergej. Er weint bitterlich. Der Grund: An seinem Feuerwehrauto ist der Schlauch abgerissen. Was für ein schönes Problem für ein Kind, das gerade aus dem Krieg fliehen musste. Diese Spielecke ist wie eine Insel der Normalität. Nur wenn man den Weg zurück zum Eingang läuft, vorbei an den Feldbetten, einem Klappkinderwagen und der Einhorntasche, an der ein Rucksack baumelt, dann ist man als Erwachsener gleich zurück in der Turnhalle mit den Menschen, die aus Angst vor Luftangriffen ihre Heimat verlassen haben.

Aus der Ukraine geflüchteten Kindern und Jugendlichen soll in Sachsen-Anhalt Zugang zu Bildung ermöglicht werden. Dazu hat das Land ein Stufenmodell entwickelt.

Sachsen-Anhalt will Geflüchteten aus der Ukraine schnell und unkompliziert helfen. Dafür wurden unter anderem zwei komplette Hotels gemietet.

Etwa 400 Geflüchtete aus der Ukraine sind in Sachsen-Anhalt derzeit offiziell registriert. Die Unterstützung der Sachsen-Anhalter für die Opfer des Ukraine-Kriegs bleibt ungebrochen.

Die vergangenen Tage waren geprägt von Spenden-Aktionen der Sachsen-Anhalter. Nun werden Unterkünfte für die Menschen aus der Ukraine gesucht – auch von Privatpersonen.

Die Bundeswehr sollte besser ausgestattet werden – und zwar finanziell und personell. Das finden zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, wie die aktuelle Befragung mit knapp 33.000 Teilnehmenden zeigt.

In Halle hat am Montag die Zentrale Aufnahmestelle für Ukraine-Geflüchtete eröffnet. Der Vorteil: Viele Behördengänge können Geflüchtete nun an einem Ort durchführen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine dauert seit Monaten. Die ukrainische Armee kann Gebiete zurückerobern, der Westen unterstützt sie mit Waffen. Alle aktuellen Nachrichten und Hintergründe zum Russland-Ukraine-Krieg hier.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 09. März 2022 | 08:30 Uhr

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